Wohnen ist ein Recht. Und der Markt soll den Menschen dienen. Der Grund- und Bodenmarkt sowie der Kauf und Verkauf von Wohnungen ist aber zum Anlage- und Spekulationsobjekt geworden. In Zeiten niedriger Zinsen investieren professionelle Geldanleger und Hedgefonds in Immobilien. Dadurch kommt es zum Interessenkonflikt zwischen Renditen und Mieten. Bundesweit steigen die Mieten und Wohnungspreise schon lange nicht mehr nur in den Großstädten. Menschen können sich nicht mehr leisten, in ihrem vertrauten Umfeld zu leben. Die Gesellschaft spaltet sich. Die bisherigen politischen Mittel haben sich als unzureichend erwiesen.
Der politische Schwerpunkt lag in der Vergangenheit auf Veränderungen im Mietrecht. So wichtig dieses Thema ist, so wenig wird es den Wohnraummangel beseitigen. Wir brauchen verstärkten Wohnungsbau, öffentlichen wie privaten. Die derzeitigen Programme im öffentlichen Wohnungsbau sind Tropfen auf den heißen Stein.
1. Öffentliches Wohnungsbauprogramm
Die öffentliche Hand braucht einen Grundstock an
Wohnungen. Es war ein Fehler, dass diese in den letzten Jahrzehnten aufgelöst
und privatisiert wurden. Es braucht ein Wohnungsbauprogramm für deutsche Städte
in einem viel größeren Umfang als es die öffentlichen Haushalte erlauben. Es
braucht daher ein Investitionsprogramm. Die öffentlichen Wohnungsgesellschaften
müssen vermehrt bauen. Und dazu kann es auch sinnvoll sein, neue Gesellschaften
zu gründen.
2. Baupflicht durchsetzen
Das Bauen scheitert derzeit oft am Bauland. Mit dem Bauland oder baureifem Land
in privater Hand wird derzeit spekuliert. Man wartet auf Steigerungen der
Bodenpreise statt zu bauen. Das kommunale Bau- und Planungsrecht sieht aber
heute schon eine Baupflicht vor. Wird nicht gebaut, kann in letzter Konsequenz
eine Enteignung gegen Entschädigung stehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht
gerade beim Grund und Boden eine besondere und weitgehend soziale Verpflichtung
des Eigentums. Wer der Aufforderung zu bauen nicht nachkommt, kann zum Verkauf
gezwungen beziehungsweise gegen Entschädigung enteignet werden.
3. Kommunale Vorkaufsrechte stärken
Ziel muss sein, den Bestand von Wohnungen und Boden im Besitz der öffentlichen
Hand zu vergrößern. Entsprechend braucht es eine aktive Ankaufstrategie.
Akteure wie zum Beispiel Genossenschaften oder Stiftungen, die
gemeinwohlorientiert agieren, ergänzen die kommunale Strategie. Das kommunale
Vorkaufsrecht soll gestärkt werden, etwa durch die Preisermittlung, die heute
noch spekulative Wertsteigerungen enthält, oder durch die Möglichkeit eines
kommunalen Vorkaufsrechts für gesamte Stadtgebiete (nicht nur für Gebiete mit
sozialer Erhaltungssatzung und Sanierungsgebieten). Die Ausübungsfrist von zwei
Monaten soll verlängert werden und es soll auch bei Share Deals und
Zwangsversteigerungen gelten.
4. Veräußerungen von öffentlichem Eigentum stoppen
Auch der Bund muss Bauland für öffentliche und soziale Investoren zur Verfügung
stellen. Er hält über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) und – im
landwirtschaftlichen Bereich – über die Bundesverwertungs- und Verwaltungs-GmbH
(BVVG) große Bestände an Boden und Immobilien. BimA und BVVG verkaufen in den
allermeisten Fällen meistbietend. Das ist falsch. Die noch vorhandenen Bestände
sollten Kommunen oder Genossenschaften mit der Pflicht zur Sozialbindung, zu
entsprechend deutlich niedrigeren Preisen, übertragen werden. Man kann auch
darüber nachdenken strategisch zuzukaufen, um in Deutschland eine
Bodenvorratspolitik umzusetzen.
5. Erbbaurecht und Erbpacht nutzen
Kann eine Kommune oder die öffentliche Hand nicht selber bauen, sollte sie den
Boden nicht verkaufen, sondern ein Erbbaurecht einräumen. Nach Ablauf dieses
Rechts fällt das Grundstück wieder an die öffentliche Hand zurück. So
verhindern wir das alte Problem im sozialen Wohnungsbau, dass nach Ablauf der
Bindungsfrist die Wohnungen zu Geld gemacht werden. Sie würden dann einfach in
die öffentliche Hand fallen. Auch die BimA könnte, statt an Private zu
veräußern, ein Erbbaurecht vergeben.
6. Wohngemeinnützigkeit neu einführen
Wohnungseigentümer, die sich verpflichten Wohnraum für Menschen mit niedrigem
Einkommen zu schaffen und die Mieten zu begrenzen, sollten entsprechend
gefördert werden. Das war bei der Wohngemeinnützigkeit so, die wegen eines
Skandals bei der Neuen Heimat abgeschafft wurde. Insgesamt war das Modell aber
erfolgreich und es sollte wiederbelebt werden. Für die Investoren gibt es dann
Investitionszulagen und eine Steuerfreiheit, wenn sie als sozialer Vermieter
auftreten.
7. Mieten begrenzen
Die Gewinnerzielung durch private Vermietungen ist ein legitimer Anreiz für
Wohnungsbau im privaten Sektor. Allerdings kann es keinen Anspruch auf
unbegrenzte Rendite geben. Gerade die großen und teilweise börsennotierten
Immobilienunternehmen haben in den letzten Jahren Milliardengewinne gemacht –
während Menschen ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen konnten. Das Grundgesetz
formuliert ausdrücklich eine besondere Verpflichtung des Eigentums. Dieser muss
jetzt Geltung verschafft werden. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen. Die
Mietpreisbremse, die sich in der derzeitigen Form als weitgehend wirkungslos
erwiesen hat, muss endlich scharfgestellt werden. Mieterhöhungen können begrenzt
werden.
Um die Mietanstiege zu durchbrechen, wäre für die
Nettokaltmieten auch eine regional differenzierte Obergrenze in absoluter Höhe,
so wie sie im Augenblick vom Berliner Senat diskutiert wird, ein denkbarer Weg
– auch für bestehende Mietverhältnisse. Das würde auch dazu beitragen, dass das
Mietrecht leichter durchgesetzt wird. Es scheitert schon heute oft nicht an der
Existenz von Gesetzen, sondern dass die Rechtsdurchsetzung beim Mieter liegt,
der sich häufig gegen Verstöße nicht wehrt, weil dies für ihn mit einem langen
und kostspieligen Rechtsstreit verbunden wäre. Öffentliche Kontrollen gibt es
praktisch keine. In Zukunft müsste ein Mieter einen Verstoß dann nur noch den
Behörden melden.
8. Enteignungen als letztes Mittel
Enteignungen werden in Deutschland vor allem ideologisch diskutiert, sind aber
eine im Grundgesetz vorgesehene Möglichkeit, die soziale Marktwirtschaft zu
schützen.
In einer Notlagensituation, wie wir sie heute in manchen Städten schon vorfinden, darf man kein Mittel ganz ausschließen. Der richtige Umgang mit Enteignungen ist pragmatisch, nicht ideologisch. Ein differenziertes Vorgehen des aktiven Ankaufs von Boden und Wohnungen ist sinnvoll. Konzentriert werden sollte sich vor allem auf Häuser mit bewusstem Leerstand. Oder wenn eine große Wohnungsgesellschaft dauerhaft ihren Pflichten als Vermieter nicht nachkommt. Also als ein letztes Mittel. Ob eine Enteignung ökonomisch Sinn macht und das richtige Mittel ist, muss jeweils kommunal entschieden werden und wird wesentlich von den erwarteten Kosten für die Steuerzahler abhängen.
Schon die Möglichkeit, in besonderen Fällen zu
enteignen, wird das Verhalten großer Wohnungsgesellschaften ändern.
9. Schwarzgeld und Fehlnutzungen verhindern
Der deutsche Immobilienmarkt ist ein Paradies für
Geldwäsche, weil es hierzulande kaum Kontrollen gegen Geldwäsche gibt. Abhilfe
ließe sich durch ein Immobilienregister schaffen, in dem anders als im
Grundbuch, nicht nur der Eigentümer, sondern bei juristischen Personen auch die
dahinter stehenden natürlichen Personen öffentlich einsehbar sein müssen. Damit
wird der Erwerb einer Immobilie für Kriminelle weniger attraktiv.
10. Share Deals unterbinden
Bei Share Deals werden nicht Wohnungen sondern Anteile an Unternehmen, die
Wohnungen besitzen, gekauft. Die meisten Share Deals fallen heute nicht unter
die Grunderwerbssteuer und sind deshalb ein Haupttreiber der Spekulationen mit
Wohnungen. Die Mieten aber steigen bei jedem Kauf und Verkauf. Die Sharedeals
im Immobilienbereich müssen unterbunden werden und der vollen Steuerpflicht
unterliegen. Eine Wiederveräußerungssperre bei Immobiliengeschäften soll
kurzfristige Spekulationsgewinne verhindern.